Die letzte E-Mail ist abgeschickt und die letzte Klausur für diese Semester ist bestanden: dem Urlaub steht nichts mehr im Wege!
Mit gut beladenem Auto kommen wir in Neustadt im Hafen an. Jetzt heißt es ausladen und Boot beladen! Während Franzi sich mit den ersten Sachen auf den Weg zum Boot macht, trifft Carsten im Hafen noch zufällig den technischen Geschäftsführer seines Unternehmens, der ihm einen schönen Urlaub wünscht. Nachdem wir alle Vorräte notdürftig unter Deck verstaut haben, konnten wir die Leinen loswerfen und sind gegen 17:45 Uhr nach Schweden aufgebrochen. Vor uns liegen knapp 130 Seemeilen bis zum nächsten Hafen: Ystad in Schweden!
Das Wissen, dass wir nun ganze vier Wochen unterwegs sein werden, ist für uns zu diesem Zeitpunkt immer noch etwas surreal, aber wir freuen uns umso mehr darauf. Mit der letzten Abendsonne segeln wir durch die Lübecker Bucht Richtung Nordosten. Bei Westwind kommen wir mit durchschnittlich 5 Knoten gut voran. Für die Nacht haben wir uns eigentlich vorgenommen nur mit Vorsegel zu fahren, damit wir etwas langsamer unterwegs sind. Als die Sonne dann untergeht und wir einen entspannten Halbwindkurs fahren, Wind und Welle super sind und außer uns weit und breit kein anderes Schiff zu sehen ist, entschließen wir uns, die Besegelung weiter so zu belassen. So geht es jetzt also in die Nacht!
Das Gefühl ist unbeschreiblich: das gleichmäßige Rauschen der Wellen, die die Silba Ness sanft von einer zur anderen Seite schaukeln, die sternenklare Nacht und der volle Mond. Wir können unser Glück kaum fassen! Gegen Mitternacht kommt bei Carsten die Müdigkeit durch und er legt sich zum Dösen ins Cockpit. Dazu kommt er zunächst aber kaum, da überall am Himmel Satelliten hin und her fliegen und auch die ein oder andere Sternschnuppe zu sehen ist. Franzi hält die Stellung, da wir ohne AIS unterwegs sind und uns deshalb kein lauter Ton warnt, wenn Schiffe in unsere Nähe kommen.
Gegen vier Uhr sind wir auf Höhe Gedser in Dänemark angekommen. Im letzten Jahr hatten wir hier noch Station gemacht, jetzt geht es allerdings ohne Pause weiter Richtung Schweden. In der Gegend vor Gedser nimmt der Schiffsverkehr zu, wir begegnen einigen Fähren und zwei anderen Seglern. Als wir das Verkehrstrennungsgebiet, quasi die Autobahn für die Berufsschifffahrt, verlassen, bahnt sich direkt vor unserem Bug die Sonne ihren Weg, während am Heck der Mond noch schwach zu sehen ist. Die aufgehende Sonne taucht den Himmel und das Meer in die schönsten Farben. Für Franzi schon jetzt das Highlight schlechthin: ein Sonnenaufgang mitten auf dem Meer, um uns herum nichts als Wasser. Bisher konnte Carsten alle Überredungsversuche, einmal morgens gegen 5 Uhr mit zum Sonnenaufgang zur Ostsee zu fahren, abwehren, aber jetzt hatte er keine Chance und so wurde er pünktlich geweckt und hat es nicht bereut.
Wir lassen die nächsten Stunden verstreichen, dösen abwechselnd kurz und beginnen dann den neuen Tag mit einem Käsebrot. Unsere Selbststeuerungsanlage, die eiserne Anna, steuert uns weiter direkt Richtung Ystad. Gegen Nachmittag erreichen wir den Offshore-Windpark Kriegersflak, dieses Jahr bei deutlich besserem Wetter als im vergangenen Jahr. Die Durchfahrt ist aber nicht weniger beeindruckend. Sobald wir die schwedischen Hoheitsgewässer erreicht haben, setzen wir die Gastlandflagge und sind spätestens jetzt im Urlaubsmodus angekommen.
Als langsam schwedisches Festland in den Blick kommt, machen wir uns eine Dose Chilli con carne warm und bereiten anschließend alles für die Ankunft in Ystad vor. Kurz vor der Hafeneinfahrt liefern wir uns unter Motor noch ein kleines Rennen mit einem anderen Segler und laufen dann in Ystad ein. Um halb neun machen fest und helfen dem anderen Segelboot beim Anlegen und so lernen wir unsere erste Urlaubsbekanntschaft kennen: ein Paar aus Schweden, das gerade das neu gekaufte Segelboot überführt. Nach 138 Seemeilen und 26h Stunden sind wir in Schweden!